Staatsorchester Kassel - nur noch ein B-Orchester?

von Hans Eichel

Hans Eichel war zur Zeit der Gründung von "Bürger pro A" Ministerpräsident von Hessen

1995, am Beginn meiner zweiten Regierungsperiode, standen wir vor großen finanziellen Herausforderungen. Die enormen Kosten des Aufbaus Ost und der Einheit wurden nun auch in den Haushalten der westdeutschen Länder und Kommunen spürbar. Wir suchten also überall nach Einsparmöglichkeiten und Einnahmeverbesserungen, auch im Kulturbereich.

Da gerieten die drei - hoch subventionierten - hessischen Staatstheater in den Blick. Eintrittspreise zu erhöhen, brachte nicht viel, da sie nur etwa 10 Prozent der Kosten deckten (und decken); außerdem wäre es dem Ziel, vielen Menschen den Theaterbesuch zu ermöglichen, zuwidergelaufen. Wohl aus dem Kasseler Rathaus – so wurde es mir jedenfalls vermittelt - kam die Idee, das Staatsorchester von A nach B herabzustufen, also zu verkleinern und die Orchestermitglieder schlechter zu bezahlen. Unerwartbar war das nicht, denn die Theatersitzstädte mussten 48 Prozent der Kosten tragen und Kassel, anders als Wiesbaden und Darmstadt, die beiden anderen Theatersitzstädte, litt unter chronischer Finanznot, kein Wunder im strukturschwachen Nordhessen. Das Wissenschafts- und Kunstministerium war nicht abgeneigt, diesem Vorschlag zu folgen, konnte es so doch auch eine Einsparung vorweisen, sogar noch etwas höher als die Stadt Kassel. Ich wollte das nicht. Als Ministerpräsident und Kasseläner konnte ich nicht akzeptieren, dass Kassel schlechter gestellt wurde als Wiesbaden und Darmstadt, die selbstverständlich am A-Status festhielten. Kassel, einzige Großstadt zwischen Frankfurt und Hannover, durfte keinen Bedeutungsverlust erleiden, wenn man nicht ganz Nordhessen schwächen wollte. Und das wollte erklärterweise niemand in der Landespolitik. Also gab ich die Parole aus, dass eine Ungleichbehandlung der drei Staatstheater nicht in Betracht komme. Damit war die Wiesbadener Flanke geschlossen. Die Kasseler Flanke schlossen "Bürger Pro A" und die Mitglieder des Staatsorchesters, die von sich aus erhebliche Opfer brachten.

Das Staatsorchester, 1502 gegründet, das älteste Orchester Deutschlands, das zweitälteste der Welt, bleibt A-Orchester. Alles andere wäre eine Kulturschande.