Dr. Wendelin Göbel
Was A ist, darf nicht B-klassiert werden -
25 Jahre „Bürger pro A“
Jubiläum, Erfolgsgeschichte, Verantwortung.
von Wendelin Göbel
25 Jahre „Bürger pro A“. Das Jubiläum verweist auf die große Tradition des Kasseler Staatsorchesters; es verweist auf den Augenblick der Krise - und auf die Rettung seiner Tradition für die Zukunft. Leere Kassen können große Traditionen zu Fall bringen; fast wäre es in Kassel so weit gekommen. Dank eines bis dahin beispiellosen Einsatzes im Zusammenspiel von Kasseler Bürgerschaft und politisch Verantwortlichen, allen voran Hans Krollmann, wurde innerhalb weniger Wochen verhindert, was bereits unabwendbar schien: die Deklassierung des Kasseler Staatsorchesters auf B-Status, die Herabstufung zu einem Orchester, welches an Attraktivität und Leistungsfähigkeit eingebüßt hätte. Die Beiträge von Susanne Berendes und Manfred Schumann vergegenwärtigen die Dramatik des Geschehens im Jahr 1995 und was daraus geworden ist. Dankbarkeit für den Einsatz der Persönlichkeiten, die „Bürger pro A“ ins Leben riefen, dürfen wir spüren, wenn heute und weiterhin das Kasseler Staatsorchester auf höchstem Niveau spielt. Aber ebenso auch Dankbarkeit für diejenigen, die die Brücke bauten zwischen gebotener Einsparung und künstlerischem Qualitätserhalt, nämlich die Mitglieder des Staatsorchesters selbst. Ohne deren Verzicht auf einen wesentlichen Anteil ihres Gehalts wäre die Rettung des A-Status nicht möglich gewesen. Und Dankbarkeit für die Dirigenten, Solistinnen und Solisten, die ihren Beitrag zur Rettung des A-Status leisteten, sowohl durch finanziellen Verzicht als auch durch Einbringung ihres künstlerischen Gewichts. Dankbarkeit nicht zuletzt für die Mitglieder von „Bürger pro A“: Alle Mitgliedsbeiträge und Spenden sind Beiträge in die Zukunft des Orchesters und des Kasseler Musiklebens.
Das Kasseler Staatsorchester ist heute in seiner Programmvielfalt und Professionalität kaum zu übertreffen. Das Repertoire reicht vom frühen 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart, es umfasst alle großen Opern, es umfasst die anspruchsvollsten sinfonischen Werke; das Orchester spielt in verschiedenen Formationen, es tritt auch in kleineren bis kammermusikalischen Besetzungen auf. Das Kasseler Staatsorchester pflegt ein Repertoire, welches offen ist für Musik aller Länder. Es spielt diese Musik auf ebenso durchsichtige wie mitreißende Art. Die Musikerinnen und Musiker leben für dieses Orchester, zeigen Einsatz und Virtuosität im Dienst der Musik. Sie sind hochgeachteter, verehrter Teil des Kasseler Musiklebens. Und sie sorgen dafür, dass auch die Jugend den Wert dieses Orchesters und seiner Musik erkennt, mit einem konzertpädagogischen Programm für die Kleinen, Größeren und Jugendlichen.
Ein Jubiläum enthält die Verpflichtung, sich des Erreichten nicht sicher zu fühlen, sondern sich weiter für das Ziel einzusetzen. „Bürger pro A“ zählt über 600 Mitglieder. Sie tragen den Erfolg, sie sorgen für den Erhalt und für die Fortentwicklung. Das Jahr 2020 ist doppelgesichtig: Musikalisch steht es im Zeichen des 250. Geburtsjahres von Ludwig van Beethoven, gesellschaftlich im Zeichen der Corona-Pandemie. Die zeigt die Gefährdung auch größter Errungenschaften durch schädliche Einflüsse auf Gesundheit und Finanzen, somit auch auf unser kulturelles Leben. Bleiben wir wach, lassen wir es - selbst bei knappen Finanzen - nicht wieder zu einer Situation wie im Jahr 1995 kommen. Dann werden die zukünftigen Jahre des Kasseler Staatsorchesters zum Glück vieler Menschen beitragen, sowohl in Kassel als auch darüber hinaus.